Baloo
Kurz & bündig
Donnerstag, 23.2.23 – in der Oase
Beim Aufstehen dreht sich bei Annette alles und sie fühlt sich nicht wirklich fit, auch der Bauch rumort.
Unsere Parkwächterin kommt und begrüsst uns und fragt, ob wir gut geschlafen haben. Das haben wir in der Tat in totaler Dunkelheit mit grandiosem Sternenhimmel und absoluter Ruhe. Die Parkwächterin fragt nach unserer weiteren Route und eröffnet uns dann, dass diese Strecke wegen des Unwetters gesperrt sei. Das würde bedeuten, dass wir wieder über den Pass zurück und wieder einen Umweg fahren müssten. Wir wollen aber den Rest der Palmenoase in der Schlucht noch sehen und fahren auf unserer geplanten Route weiter. Zuerst stehen die Palmen ganz dicht bei der Strasse und es ist sehr eng. Wir entdecken zwei Wildschweine, die vor uns flüchten. Nach ein paar kleinen Dörfern weitet sich die Schlucht und eigentlich sollten wir hier umkehren. Wir fragen nach, ob die Strasse nach Zerbi geschlossen sei, doch alle sagen, dass wir durchfahren könnten. Und wirklich, an zwei Stellen wurde die Strasse weggespült aber eine Umleitung durch das Bachbett wurde erstellt. Auf dem Weg nach Igmir fahren wir durch eine beindruckende Schlucht mit senkrechten, hohen, roten Felswänden. Gewaltig.
Um 15 Uhr hat Erich eine Videokonferenz und wir suchen uns einen Ort mit Internet. Da die Abdeckung in Marokko erstaunlich gut ist, ist dieser mit 4G schnell gefunden. Ein junger Marokkaner ist froh über die Gelegenheit mit jemandem sprechen zu können und erzählt uns so allerhand. Gegen 15 Uhr haben wir dann plötzlich nur noch „H+“ statt 4 G und müssen uns nochmals verschieben. Diesmal in das trockene Flussbett. Die Sitzung klappt dann ohne Probleme und wir fahren weiter auf unserem Weg in Richtung Assa, wo wir in der Steppe, mitten im Nirgendwo unser Lager aufschlagen. Es ist 27 Grad warm und wir sitzen draussen. Zum Abendessen gibt es unsere erste selbstgemachte Tajine mit Gemüse und Truthahn. Mhm!
Annette’s Schwindel ist besser geworden aber sie hat noch immer ein flaues Gefühl im Magen.
Als es dunkel wird, schwirren Falter und anderes Getier um unsere Köpfe und wir fragen uns, was für Tiere da sonst noch in der Dunkelheit lauern. Der Mond ist zunehmend und es kommen immer mehr Sterne zum Vorschein. Plötzlich bläst wieder ein starker Wind, es ist wie wenn jemand einen Schalter umgelegt hätte.
Freitag, 24.2.23 – durch die Steppe
Es war keine sehr erholsame Nacht, da der Wind sehr stark und böig war. Wir sind ziemlich durchgeschüttelt worden, obwohl wir optimal in Windrichtung gestanden sind.
Da wir auch hier mitten in der Pampa Internet haben, erledigen wir am Morgen unser „Büro“, bevor es weiter geht.
Wir haben 166 Kilometer zurückzulegen bis Guelmim, einer Stadt mit 200‘000 Einwohnern, wo morgen der Kamelmarkt stattfindet. Wir fahren auf einer geraden Straße durch die eintönige Steppe und werden mit Achtung-Kamel-Schildern vor den Tieren auf der Fahrbahn gewarnt. Tatsächlich sehen wir ein paar Exemplare nahe der Strasse. Wir rätseln, wie viele Autos uns in den nächsten 55km entgegenkommen werden. Es sind dann gerade mal vier Stück.
Irgendwann erlischt die Warnlampe wieder! Ist das stete Geradeausfahren mit der gleichen Geschwindigkeit ein Grund dafür? Auch den nächsten Berg schaffen wir, ohne dass sie wieder aufleuchtet. Auch auf dieser Seite des Passes ist es öde und es hat wieder vermehrt Sand, der mit dem immer noch starken Wind durch die Luft und über die Fahrbahn gewindet wird.
In Guelmim können wir reibungslos unser Handyabo künden und fahren dann auf den Parkplatz vor dem Markt, wo schon viele andere Wohnmobile stehen. Heute wird der Gemüse-und Obstmarkt aufgebaut und wir decken uns mit dem Nötigsten ein. Es gibt bereits Erdbeeren und die wollen wir natürlich auch versuchen.
Samstag, 25.2.23 – vom Kamelmarkt zum Felsentor
Nebst Baloo sind noch weitere rund 40 Wohnmobile dem Kamelmarkt zugewandt. Wir wollen das Spektakel geniessen und begeben uns zum Eingang. So viele Dromedare hat es aber nicht, es sind Ziegen, Schafe, Kühe und Stiere, die hauptsächlich gehandelt werden. Der Tierschutz hätte keine Freude an dem Treiben hier. Die Tiere sind an den Füssen zusammen gebunden, sodass sie an Ort und stelle bleiben und es wird nicht gerade zimperlich mit ihnen umgegangen.
Das Kamel hat seine Wichtigkeit verloren im Zeitalter der Automobile und Lastwagen. Früher war die Stadt ein wichtiger Karawanenstützpunkt, was aus der Bedeutung ihres Namens auch hervorgeht: Guelmim stammt aus der Berbersprache und bedeutet „Wo es Wasser gibt“.
Inmitten der Ziegen verkauft ein Händler Djellabas, ein traditionelles und wichtiges Kleidungsstück für Herren und in neuerer Zeit auch für Damen. Erich findet dies recht patent, vor allem in der Winterausführung, weil sie vom Scheitel bis zur Sohle durchgängig den Körper bedeckt. Sie ist so weit geschnitten, dass zwischen Kleidung und Djellaba die Luft isoliert und so ohne Schnittstelle den Träger warmhält. Wir finden ein Exemplar, das in der Grösse und Farbe passt. Es sei handgemacht, aus Wolle und das hätte wohl seinen Preis. 400dh will er dafür, wir handeln ihn noch auf grosszügige 350dh herunter. Denjenigen für Annette gibt er dann noch für 300dh.
Wir spazieren durch den Souk, finden noch weiteres Gemüse, Früchte, gut riechende Gewürze und staunen ob des Trödelmarktes. Hier gibt’s einfach alles: von rostigen Werkzeugen bis zu staubigen Küchengeräten, Kleider mit allen Luxusmarkenlabels und was man sonst noch alles lautstark anpreisen kann.
Nach einem frisch gepressten Orangensaft und frischem Brot, von dem Annette ein Stück einer Frau abgegeben hat, haben wir genügend Geld ausgegeben und machen uns darum auf den 44km langen Weg durch die Steppe nach Sidi Ifni an den Atlantik. Eine Stadt, die mit der spanischen Kolonialbesatzung eine wechselhafte Geschichte durchgemacht hat. Einst eine spanische Enklave und während der Franco-Diktatur ein wichtiger Militärstützpunkt wurde sie 1969 definitiv an Marokko zurückgegeben. So viel anders als andere Städte kommt sie uns nicht vor, auch wenn der Kolonialstil mit weiss-blau gestrichenen Häusern etwas in die Zukunft gerettet werden soll. Nach einem Marokko-Tee mit Pfefferminze und vier Würfelzucker auf der Aussichtsterrasse mit Blick auf’s Meer, machen wir uns weiter auf gegen Norden zum attraktiven Felsentor.
Und dies ist wirklich gigantisch. Oben gleiten die bunten Gleitschirme einer Feriengruppe über dem roten Felsen, unten rauschen die Wellen des Atlantik und die Menschen unten scheinen so klein wie Mücken zu sein. Wo es Touristen gibt, gibt es auch Einkehrmöglichkeiten. Wir entscheiden uns, auf dem nicht übermässig schönen Platz zu nächtigen. Dann können wir auch das kulinarische Angebot nutzen. Erichs „Poulet grillé“ zieht auch die herrenlosen Hunde an, bis zu vier an der Zahl warten mit einer Schnauze Abstand um uns herum sehr geduldig und ruhig auf etwas Essbares. Sie stressen ihn aber trotzdem.
Damit wir unsere täglichen 10‘000 Schritte gemacht haben, schlendern wir in der Abendstimmung dem Strand entlang und sehen der Sonne zu, wie sie im Meer versinkt. Zurück im Womo haben wir ein längeres Telefongespräch mit unserer Tochter, was uns sehr freut und ein schöner Tagesausklang ist.
Sonntag, 26.2.23 – Ein Regentag muss sein
Wir sind früh um 8 Uhr wach und auf. Das Tropfen des Regens auf unserem Dach vermischt sich mit dem Rauschen des Meeres. Wir beschliessen, einen ruhigen Tag zu begehen, ausstehende mails zu beantworten und Berichte zu schreiben, also Arbeit. Aber nicht hier an diesem unschmucken Platz. Der Parkwächter ist bei diesem Wetter nirgends zu sehen, so geben wir den Parkpreis unseren holländischen Nachbarn mit der Bitte, unsere Schuld für uns zu begleichen.
Wir fahren mal eine halbe Stunde bis ein Neubaugebiet uns zum verweilen einlädt. Überhaupt gibt es bei vielen Städten solche vorbereiteten Gebiete. Was jeweils zu sehen ist, sind gekieste Wege mit Wegabschlüssen, Strommasten und -Leitungen sowie die Strassenbeleuchtung. Immer gibt es auch ein Verkaufspavillon, um die projektierten Gebäude zu erwerben. Wir schätzen dieses Gebiet hier sei für über hundert Einfamilienhäuser vorbereitet. Mittendrin stehen wir nun, die Wege waren nicht abgesperrt, wie sie sonst klar mit Steinen sind. Nach etwa einer Stunde kommt der „Verantwortliche“ für das Neubaugebiet und bittet uns aus „Sicherheitsgründen“ das Gebiet wieder zu verlassen. So stellen wir uns gleich auf den Platz vor dem Eingang und der Strasse damit wir die angefangenen Arbeiten noch fertig erledigen können.
Die Weiterfahrt führt uns durchs flache Land, einer Nebenstrasse entlang mit mehr oder weniger Löchern. Etwas Gegenverkehr bremst uns aus, denn wir müssen jedesmal neben den Asphalt auf die Erde ausweichen. Bei unserem Ziel, dem Vogelreservat im Naturpark Souss-Massa, kann man rund um die Uhr ein und aus gehen. Jedoch ist schlafen im Park nicht erlaubt. Weil es Abend ist und morgen ein neuer Tag mit Sonne anstelle des Regens anbrechen wird, übernachten wir auf einem Platz einige hundert Meter und drei Kratzern am Baloo vor dem Eingangstor.
Hier sind wir nicht alleine. Ein Paar ist auch noch hier. Erich geht sie begrüssen und stellt fest, dass die Frau nur Französisch und der Mann nur Deutsch kann. Auf die Frage, wie sie sich denn verständigen, zeigt sich, dass beide in Polen aufgewachsen sind und dieser dort vorherrschenden Sprache trotz jahrzehntelangem Aufenthalt in Deutschland bwz. Frankreich immer noch mächtig sind.
Der Regen hat genug und ist verstummt.
Montag, 27.2.23 – Naturpark Souss-Massa
Noch vor dem Frühstück haben wir die fünf km lange Strecke zur Vogelbeobachtung in strahlendem Sonnenschein hinter uns gebracht, welch grandiose Leistung! Ganz weit weg haben wir Kormorane, Flamingos, Enten, Ibisse und weiteres Getier ausmachen können. Am entfernten Strand sind tausende Seemöven am Fliegen, Stehen oder Liegen. Das Rauschen des Atlantiks ist sehr gut wahrzunehmen.
Nach einer kurzen Fahrt sind wir im 50km entfernten nördlichen Eingang des Parks. Hier kann man mit einem Führer eine 12km lange Fahrt durch das Wildtiergebiet unternehmen. Weil wir drei Partien sind, fährt nur ein Guide im vordersten Auto mit, wir zuhinterst. Die erste Viertelstunde verläuft fast ereignislos, dann sehen wir die ersten Sträusse und später Antilopen. Gegen Ende der Fahrt gibt es dann noch einige Tiere mehr und auch etwas näher bei uns. Wir haben uns dies schon etwas tierischer vorgestellt, wahrscheinlich noch Nachwehen unserer Safaritour in Tansania vor einigen Jahren.
Weiter geht es dann durch das moderne Touristenzentrum Agadir nach Aourir auf einen Campingplatz, bei dem es die Möglichkeit gibt, Kleider zu waschen. Ist auch dringend nötig. Noch wissen wir nicht, wieviele warme Kleider wir noch brauchen werden. Der erste Monat war wie erwartet etwas kühl im Mittleren-, Hohen- und Anti-Atlas, jetzt wird’s wärmer, an der Sonne ist es schon seit einigen Tagen schön warm.
Dienstag, 28.2.23 – Waschen mit Hindernissen
Am sonnigen Morgen sortiert Annette die Schmutzwäsche, dabei kommen ganze Sandhaufen zum Vorschein, die sich in der Wäsche angesammelt haben. An der Réception kauft sie die Coupons für zwei Waschmaschinenladungen. Es stellt sich heraus, dass die grossen 7kg Maschinen doch mehr kosten, als sie gestern versprochen haben. Also kauft sie die für 5kg und sortiert die Wäsche nochmals um. Bei der Waschmaschine angekommen, ist die Tür abgeschlossen und der Stellplatznachbar, auch ein Mercedesfahrer aus Rosenheim sagt ihr, dass die Maschine defekt sei. Also geht es quer über den ganzen Campingplatz zum zweiten Waschhaus, wo die andere Waschfrau ihr eine Maschine zuweist. Doch leider ist es immer noch zu viel Wäsche für eine Trommel. Die Waschfrau, die kein Französisch spricht, nimmt die übrige Wäsche und steckt sie in eine andere Maschine, die aber so nicht voll ist. Auch kann diese nur 40 Grad waschen anstelle der gewünschten 60 Grad. Annette gibt der Frau zu verstehen, dass sie nur zwei Coupons hat und holt noch (wiederum quer über den Campingplatz) die andere Wäsche. Als sie zurückkommt, klaubt die Waschfrau das Pulver der zweiten Maschine aus der Waschmittelkammer. Irgendetwas hat da nicht richtig funktioniert. So kann Annette diese Maschine doch noch mit Wäsche auffüllen, hat aber wiederum zu viel Wäsche dabei und wieder füllt die Waschfrau eine andere Maschine damit, diesmal mit einem 30-minütigen Schnellwaschgang. Jetzt heisst es warten und sie setzt sich zu Erich, der draussen sitzt und die Sonne geniesst. Heute ist es schön windstill.
Dann geht’s wieder quer über den Campingplatz, die erste Ladung Wäsche abholen und bei unserem Waschhaus aufhängen, dann wieder über den Platz für die zweite und etwas später für die dritte Ladung. Doch was ist denn das? Unsere Wäsche ist gar nicht sauber! Überall hat es braune Flecken vom Sand, der immer noch in der Wäsche sitzt! Etwas frustriert wäscht Annette von Hand einige Stellen noch aus, muss aber dann aber mit einem riesen Satz über ihren eigenen Schatten springen und es einfach gut sein lassen und sich mit dem „sauberen Dreck“ abfinden.
Annette möchte der Waschfrau ein Trinkgeld geben, aber diese deutet an, dass sie gerne Kleider hätte, falls wir welche dabei haben. „Shukran.“
Da es windstill ist, dauert es noch bis zum Abend, bis die Wäsche trocken ist und wir unsere Betten wieder beziehen können. Wir sitzen draussen bis es dunkel wird und der Wind wieder zu blasen beginnt. Und die Erkenntnis des Tages: Auch an einem Waschtag kann man weit über 10‘000 Schritte machen.
Reiseroute