Baloo
Kurz & bündig
Freitag, 10.2.23 – Sturm im Atlas
Heute ist es bewölkt, der Morgen darum auch nicht so kalt. Dafür geht ein zügiger Wind. Gegen Mittag verlassen wir diesen schönen Platz, der uns dank der Dorfnähe auch einen Einblick in das Leben der Einheimischen gegeben hat.
Wir fahren wieder einmal über den Atlas Richtung Süden. Es fängt leicht zu regnen an und wir sind froh, dass die Strasse in gutem Zustand ist, denn mit dem Wind und seinen massiven Böen ist es für Erich nicht einfach, Baloo auf der Strasse zu halten. Je höher wir kommen, desto mehr verwandelt sich der Regen in Schnee. Zum Glück sind alle „Barriere de neige“ noch offen, sodass wir den Tizi-n-Tichka auf 2260müM überqueren können. Dann fahren wir links ab der Hauptroute über den Atlas und kommen durch ein Nebental mit einer schönen Schlucht, durch die der Qued Mellah fliesst. An einem Brunnen tanken wir bei Schneetreiben unseren Frischwassertank auf und als Blitzidee befreien wir Baloo mit dem unbeschränkt zur Verfügung stehendem Wasser vom gröbsten Schmutz. Wir brauchen dazu knapp eineinhalb Stunden, die Finger frieren schon fast ein. Kaum sind wir wieder unterwegs, hört es auf zu schneien und wir wärmen uns wieder auf.
In Aït-Ben-Haddou fahren wir einen Parkplatz an, wo schon einige andere Wohnmobile stehen. Hier ist es ziemlich touristisch, denn das Ksar (Lehmdorf) der Berber ist ein Unesco Weltkulturerbe und zieht dementsprechend auch einheimische Händler und Verkäufer an. Nach dem Preis für unsere Übernachtung sagt der Parkplatzwärter „20 Dirham, comme toujours“, nun wir sind nicht „toujours“ hier. Da wir zusammen mit einem anderen pensionierten Pärchen hineinfahren, findet er kurz danach, dass wir eine Gruppe sind und daher 25dh zahlen sollen. Wir lassen uns aber nicht ins Bockshorn jagen und sind weiterhin knausrig.
Samstag, 11.2.23 – Lehmbauten
Der Muezzin findet um 6 Uhr, dass es Zeit fürs Gebet der Muslime ist. Da machen wir nicht mit, drehen uns nochmals und schlafen noch eine Runde bis nach 8 Uhr die Morgenröte anbricht. Von der Röte ist schnell nichts mehr übrig und ein Grau in Grau hat sich schon breit gemacht. Regen. Das erste Mal seit langer Zeit gibt es in dieser Gegend ein paar Tropfen. Am nächsten Donnerstag soll es dann 20mm regnen, was für eine Wohltat wird das sein für Mensch, Flora und Fauna. Bisher ist alles überaus trocken und ausgedörrt. Wir gönnen es den Marrokanern und bleiben wegen dem Niederschlag noch etwas im Baloo hängen. Gegen Mittag widmen wir uns der einheimischen Wurst, die mit einem Strich Senf ganz passabel schmeckt. Überhaupt leben wir kulinarisch zurückhaltend, Frühstück erst gegen Mittag und dann ein eher frühes Nachtessen. Um 19 Uhr ist wieder Nacht. Aber zwischen unseren Mahlzeiten gibt’s die Attraktion des Tages: wir geniessen erstmals Touristenströme im Lehmdorf. Auf dem Weg dorthin, durch den Fluss, der heute noch ein Rinnsal ist, schaffen wir es locker zum Eingang. Dort knöpft uns ein adrett gekleideter Herr 40dh ab. Wir sind der Meinung, dass wir damit den Eintritt fürs ganze Dorf beglichen haben, müssen aber feststellen, dass dies nur seine eigene Kasbah ist, die wir besteigen dürfen. Er bräuche diesen Zustupf, da die Bauten, die ja nur aus Lehm, Erde und Stroh gebaut sind, alle paar Jahre saniert werden müssen. Dies ist abhängig von den Niederschlägen.
Wir spazieren weiter durch die Gassen, die wiederum voll sind mit Angeboten im Textilbereich, künstlerischen Zeichnungen, Krimskrams und weiterem unnützen Kitsch.
Es wohnen noch fünf Familien im alten Lehmdorf, dies können wir anhand der Eintrittspreise in ihre persönliche Kasbah unschwer verifizieren. Wieviele Busse voll mit Touristen von Marrakech heute hierher gefahren sind, haben wir nicht gezählt, es müssen jedoch einige sein.
Hätten wir den Eintritt nicht zahlen müssen, würden wir vielleicht auf einer der beiden Terrassen einen Thé für 10dh zusammen mit der Aussicht geniessen. Machen wir aber nicht, auch um unsere Blase nicht weiter zu strapazieren. Wir flüchten aus dem Weltkulturerbe quer durchs Dorf. Wir wollen ja nicht auf dem gleichen Weg zurück wieder dem gleichen Berber in die Hände fallen, der uns um Schweizer Schokolade bittet und uns „nur zum Schauen“ in seinen aufgeräumten Laden einlädt.
Etwas aus dem Dorf herausgefahren, finden wir einen Platz, um die Zeit herumzubringen, bis der Telecom Laden wieder öffnet und wir unseren Internet-Vertrag kündigen können. Derweil reinigt die Dame des Hauses das Womoinnere etwas vom regnerischen Dreck, während sich der Herr des Hauses um seinen Bart kümmert.
Im Telecom-Shop probieren wir dem Herrn beizubringen, dass wir unser Abo bis am 21. März benötigen und er unseren Vertrag auf diesen Zeitpunkt dann kündigen soll. Nach 30 Minuten haben wir den Fackel in der Hand und kontrollieren die Eingaben. Nebst dem falschen e-mail geht jetzt auch hervor, dass der Vertrag immer genau 30 Tage nach der Kündigung ausläuft. Wir müssen also am 20. oder 21. Februar nochmals eine Inwi Agence aufsuchen, damit das passend klappen soll. Wir sind gespannt, ob der Verkäufer unsere Kündigung wieder storniert hat, das werden wir aber erst am 11. März sehen.
Wir haben in der Zwischenzeit auch Kassensturz gemacht und festgestellt, dass unser einheimisches Bargeld zur Neige geht. Der zweite Bankomat frisst meine Karte und spuckt maximal 2000dh (etwa 200 Franken) heraus. Wenn wir mit Karte ohne Bargeld tanken können, reicht dies eine Weile.
Was Hollywood für die USA und Bollywood für Indien, ist Mollywood in Ouarzazate für Marokko. Es hat einige Filmstudios, die man anschauen könnte, seien aber gemäss anderen Reisenden nichts besonderes. Die lassen wir darum links der Hauptstrasse liegen und begnügen uns mit ein paar Bildern von aussen. Einige grossartige Filme wie Lawrence von Arabien, Gladiator, Game of Thrones, Die Bibel – Josef, Das Jesus Video, Die Bibel, Die Päpstin, Der Medicus und weitere sind hier gedreht worden.
Wir verlassen die Stadt und steuern einen Platz unter Bäumen an, der für die Einheimischen auch ein Naherholungsgebiet ist. Hier ist es ruhiger als gestern im Dorf. Kein Muezzin, dafür Hunde die pünktlich um 23 Uhr zu bellen beginnen.
Sonntag, 12.2.23 – Zum Drâa-Tal
Am Morgen erledigen wir einigen „Papierkram“ über’s Internet. Schon toll, was man von unterwegs alles erledigen kann und wir so überhaupt so lange unterwegs sein können.
Wir wollen wieder in den Süden und dort einen Ausflug in ein Wüstencamp machen, doch das Wetter schlägt in den nächsten Tagen um. Auf unserer Wetterapp sehen wir kleine gelbe Punkte, wo sonst Wolken, Regen oder Sonne angezeigt sind. Dann dämmert es uns! Das ist Sand! Es ist also Sandsturm zu erwarten. Die gelben Punkte gibt es auch mit dem Zeichen von Wind, das wohl dann noch heftigeren Sandsturm bedeutet.
Unser Platz füllt sich langsam mit Einheimischen, die hier picknicken und ihre Tajinen übers Feuer stellen. Zeit für uns, weiter zu fahren. Wieder geht es über die Berge, die jedesmal etwas anders aussehen. Heute ist es eher karg und Ton in Ton.
Bei einem Aussichtspunkt kaufen wir Datteln, werden erneut in Marokko willkommen geheissen und geben etwas aus unserem Kleiderfundus weiter.
Wir kommen ins Drâa Tal, durch das sich ein grüner Streifen aus Palmen und Äckern zieht, doch auch hier ist der Fluss ausgetrocknet. Wir hoffen für die Einheimischen, dass die nächsten Tage doch etwas Regen bringen werden. Zu unserem grossen Frust, taucht wieder die Warnlampe auf! Auch merkt Erich während der Fahrt, dass die manuelle Schaltung nicht mehr funktioniert. Das hätten wir jetzt echt nicht gebraucht!
Da wir die Schlechtwetterfront der nächsten Tage zuerst vorbeiziehen lassen wollen, haben wir es nicht eilig und machen schon früh Halt, sodass wir den Nachmittag noch etwas draussen sitzen können. Etwas erhöht mit Blick auf den grünen Palmenstreifen geniessen wir die Sonne, doch es geht bereits ein zügiger Wind. Kinder vom Dorf haben den Weg herauf zu uns gefunden und wollen Geld. Erich spricht auf Schweizerdeutsch mit ihnen. Als sie merken, dass sie leer ausgehen, ziehen sie wieder ab.
Am Abend schauen wir „Herzkino“ und Erich setzt eine Mail an unsere Garage ab.
Montag, 13.2.23 - Tizi-n-Tichka
Wir warten auf Antwort von unserer Garage in der Schweiz. Das dauert, es gehen einige Mails hin und her. Dass wir nicht mehr manuell schalten können bedeutet, dass wir im „Notlauf“ fahren. Notlauf bedeutet nebst der nicht mehr möglichen manuellen Schaltung, dass der Motor dauernd zwischen 2000 und 3000 Touren dreht, unabhängig von Leerlauf, Berg- oder Talfahrt. Grad in den Bergen wird dies die Bremsen übermässig beanspruchen. Den Notlauf kann Erich aber mit Hilfe der Garage wieder zurücksetzen. Aber das Fazit bleibt das Gleiche: Wir müssen wieder eine Mercedes Garage aufsuchen, der Dieselpartikelsensor könnte defekt sein, wenn der Katalysator nicht defekt ist. Wieder geht ein Traum zu Ende, wir müssen das schöne Drâa Tal, die Übernachtung im Wüstencamp und den Dromedarritt dorthin begraben.
Welche Garage liegt für unseren Reiseverlauf am Idealsten? Wo ist das benötigte Ersatzteil an Lager? Bis wir alle diese Fragen beantwortet haben und Erich seine Onlinesitzung abgewartet hat, die dann aber wegen technischer Probleme gar nicht statt gefunden hat, ist es bereits 16 Uhr.
Wir haben uns für die Garage in Marrakesch entschieden, das Ersatzteil wird von Casablanca dorthin gebracht. Das heisst, wir müssen wieder über zwei Pässe des Atlas zurück fahren. In der Nacht auf morgen ist in höheren Lagen Schnee angesagt. Heute Nacht 10cm, morgen dann 20cm, nochmals 50cm und dann wieder 50cm pro Tag. Summa summarum 1.30m Schnee. Da wir nicht riskieren wollen, vor einer geschlossenen „Barriere de neige“ oder auf einem Pass zu stranden, müssen wir heute noch beide Pässe schaffen, haben sie doch schon vor früher bei einem Schäumchen Schnee vor uns die „Barriere de Neige“ geschlossen!
Das bedeutet, bis in die Nacht hinein zu fahren, was wir als Grundsatz zu vermeiden vereinbart haben. Eine richtig spannende Sache also. Schaffen wir das?
Den ersten Pass über 1870 müM überqueren wir noch bei Tageslicht, doch fängt es bereits jetzt an zu regnen! Der zweite Pass, der Tizi-n-Tichka, über 2260 müM wird eine Zitterpartie, weil der Regen sich schon in tieferen Lagen in Schnee verwandelt und wir einfach hoffen, dass die Strasse noch offen ist. Viele andere wollen auch noch vor dem Schnee über die Berge und es hat ungewöhnlich viel Verkehr, obwohl es bereits dunkel ist. Kurz vor dem Pass an der letzten Abzweigung stehen, blau blinkend, die Gesetzeshüter, Freund und Helfer in jeder Lage. Nun wird’s noch nervenaufregender: lassen sie uns durch oder nicht? „Bonjour, ça va?“ – „oui très bien, merci, et vous?“ – „ah, ça va – bonne route“ wünschen sie uns und verschwinden im Rückspiegel.
Die Fahrt hinunter in die Ebene ist schnell erzählt und zurückgelegt: die Strasse ist wunderprächtig, bis auf einige km, die noch im Bau sind. Diese holpern wir hinter einem Lastwagen her, der aber dank seinen grösseren Räder die grösseren Löcher schneller überfahren kann. Bis zur nächsten Off-road Strecke haben wir ihn dann jeweils wieder eingeholt.
Um 21 Uhr kommen wir müde an unserem Stellplatz beim Fussballfeld an, wo noch einige andere Womos stehen. Nach einem schnellen Abendessen kriechen wir in die Koje.
Dienstag, 14.2.23 – Eine Schraube und 5 Mann
Der Morgen ist schön, in der Ferne sieht man den Turm des Solarkraftwerkes Noor III leuchten. Die Sonnenstrahlen werden von Heliostaten auf den 240m hohen Turm gelenkt und erzeugen dort eine Temperatur von 700°C. Die Leistung beträgt 150 Millionen Watt (150MW) und der thermische Speicher kann die volle Leistung während 7 Stunden abgeben.
Noor I(arabisch für Licht) und Noor II sind ohne Turm, mit Parabospiegel ausgestattet und erhitzen das flüssige Medium von 300°C auf 400°C. Noor IV ist mit Photovoltaikelementen aufgebaut. Seit 2018 liefert die gesamte Anlage Strom für 1 Mio Haushalte mit einer Leistung von 582MW, die Leistung eines halben Kernkraftwerks. Eine wahre Meisterleistung der Ingenieurskunst. Leider kann man es nicht besuchen.
Gegen Mittag hören wir, dass das Ersatzteil in Marrakesch angekommen ist. Erich meldet uns für 13 Uhr in der Garage an. Natürlich ist dann gerade Mittagspause und wir warten eine Stunde bis wieder Leben in die Garage einkehrt. Wieder wird das Diagnosegerät angeschlossen. Derselbe Fehler wie beim letzten Mal. Der Katalysator wird nun auch optisch kontrolliert, alles sieht gut aus und das weisse Tuch wird auch beim Test nur ein wenig grau. Damit ist klar, dass der Dieselpartikelsensor ersetzt werden muss. Beim Auswechseln des Dieselpartikelsensors lässt sich eine Schraube nicht lösen und es wird mit vereinten Kräften, WD40 und mit allen Kniffen gearbeitet, bis das endlich gelingt. Es wird 17 Uhr bis wir die Garage verlassen können. Wir beten, dass es das nun war. Wenn ja, war dies unabhängig unserer Marokkofahrt. Wir steuern den nahegelegenen Campingplatz „Le Relais de Marrakesch“ an. Auf dem Weg dorthin fahren wir eine geschotterte Strasse, bei der unser Baloo komische Geräusche von sich gibt. Was soll das nun wieder? Sind das die neuen Stossdämpfer? Wir werden uns morgen darum kümmern.
Wir finden schlussendlich einen Platz auf dem gut gefüllten Camping und machen uns auf ins Restaurant. Heute ist Valentinstag und es wird ein extra Menu angeboten, darum ist das Restaurant gut besucht. Hinter uns kommt noch ein anderes Ehepaar herein. Mangels genügend Zweiertischen, erklären wir uns bereit, mit Beate und Roland aus Deutschland an einen Tisch zu sitzen. Wir stellen fest: Auch sie sind Bimobilfahrer und schon seit September unterwegs im halbjährigen Sabatical, der Gesprächsstoff geht uns also nicht aus und auch die Pizzas schmecken überraschend gut.
Mittwoch, 15.2.23 - Regentropfen
Schon wieder sind einige Tage vergangen seit dem letzten Blogeintrag. Der Wetterbericht zeigt die nächsten Tage Regenwetter. Wir beschliessen, diese an einem einsamen Ort auszusitzen. Wir müssen auch wieder ein dutzend Dokumente gegenlesen und kritisch würdigen. Der Plan steht also, derweil die Sonne jetzt, genau 10:28 Uhr, hinter den Wolken verschwindet.
Erich bearbeitet die Fotos für en Blog. Um 14 Uhr starten wir unsere Offraod Tour durch Marrakech. Die Strassen sind voller tiefer und scharfkantiger Löcher im Aphalt. Vorbei am Supermarkt Marjane steuern wir nach einer Stunde den Carrefour an. Genau 58‘46“ stehen die Räder hier still. Annette kämpfte sich durch den Laden, vieles ist nur arabisch und zum Teil französisch angeschrieben. Die Aufteilung scheint ihr nicht schweizerisch-logisch zu sein, sind doch z.B. Käseauslagen ziemlich verstreut zu finden.
Wir erreichen unseren vorgesehen Übernachtungsplatz an einem Stausee. Auch hier wird Strom erzeugt, sofern im Winter Regen und Schnee fällt.
Es scheint ein ruhiger Platz zu sein und eine ebensolche Nacht zu werden, noch sind keine Hunde oder Muezzin auszumachen.
Reiseroute