Baloo
Kurz & bündig
Samstag, 4.2.23 – Das gemeine Lämpchen
Es war wieder eine kalte Nacht. Weil es nicht regnet, ist es kälter als in anderen Jahren. Auch hier macht sich der Klimawandel negativ bemerkbar.
Ein asphaltierter Weg führt uns auf den Atlas zu. Wir folgen dem palmengesäumten Qued (Fluss) Gheris in die gleichnamige Schlucht. Imposant ragen die hohen, roten Felswände in den Himmel. Ob die berühmten Schluchten Todrha und Dades auch so wild und schroff sind? Nur eine von den Furtendurchfahrten führt etwas Wasser, welche optische Wohltat. Wir passieren einige Lehmdörfer und staunen über die grünen Gärten, die es hier in der Schluchtebene hat. In Imiter klebt ein altes Ksar (Lehmdorf) rechts am Berghang. Wow, welch eindrückliche Strecke! Kurz vor Assuol machen wir Halt. Das gelbe Motorenlämpchen leuchtet. Wir putzen den Luftfilter, doch das hilft nichts. Im Internet macht Erich sich schlau, was das alles bedeuten könnte, und sucht Garagen in der Umgebung. Wir müssen mindestens noch 93 Kilometer fahren, bis wir wieder in die grössere Stadt Tinehir kommen. Die Anzeige kann alles bedeuten: Motorproblem, Abgasbehandlung oder Treibstoffsystem. Irgendein Systemteil, Fühler oder Kabel kann defekt sein, oder auch nur der Tankdeckel nicht richtig verschlossen. Noch ist keine Panik angesagt, es sei nicht ultimativ gefährlich. Zum Glück, denn es ist logischerweise wieder einmal Wochenende und niemand in Stuttgart oder Zürich erreichbar. Vielleicht morgen in Casablanca oder Marrakesch – Inschallah.
Beim Abendessen schleicht jemand mit Stahlhelm ums Wohnmobil und klopft dann an unsere Tür. Er sei vom Gouvernement verantwortlich für diese Gegend und hätte gerne eine Kopie unserer Pässe. Haben wir leider nicht, aber wir könnten es ja abschreiben und ihm geben. Wir stehen frei, d.h. nicht auf einem Stell- oder Campingplatz, was offiziell nicht erlaubt ist, aber weitherum geduldet wird. Erich fragt nach seinem Handy, er könne es ja fotografieren, dann habe er sämtliche Angaben quasi im Original. Er fotografiert sie und unser Nummernschild und zieht wieder von dannen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir so „registriert“ werden, es soll der Sicherheit dienen. Und sicher war es auch nicht das letzte Mal.
Sonntag, 5.2.23 – Todrha Schlucht
Erich versucht noch einiges, wie den Tankdeckel öffnen und schliessen, die Batterie abklemmen aber die Lampe erlischt nicht. So fahren wir weiter auf unserer Route über eine Hochebene mit drei grösseren Dörfern. Wir fragen uns einmal mehr, von was die Leute hier oben leben. Dem ausgetrockneten Amellago entlang kommen wir an eine riesige Baustelle. Wir werden auf eine neue Strasse umgeleitet, da die alte einem Stausee weichen muss. Ein riesiger Staudamm wird hier oben erstellt, hoffen wir, dass es wieder einmal regnen wird! Nach Ait-Hani beginnt die Todrha Schlucht. An ihrer engsten Stelle halten wir an und spazieren mit anderen Touristen eine Treppe hinauf. Von dort oben hat man einen guten Blick auf die Strasse zwischen den engen Felswänden. Dieser Teil der Schlucht ist ziemlich touristisch und es hat etliche Verkaufsstände weiter unten. Plötzlich steht ein Mann am offenen Fahrerfenster und streckt Erich eine Visitenkarte von einer Autogarage in Tinerhir, der nächst grösseren Ortschaft, herein. Genau das brauchen wir! Er wird gleich mit uns zur Garage kommen. Erich versichert sich vorher noch, ob er auch ein Diagnosegerät besitze. Ja, das hat er. Doch leider funktioniert dieses nicht richtig, als wir bei der Garage sind. Er muss ein anderes Gerät organisieren, das dann herausfindet, dass etwas mit dem Dieselpartikelfilter nicht stimmt. Er meint, das könne auch durch die Erschütterungen des Offroadfahrens herrühren und setzt die Einstellungen zurück. Inzwischen ist es 15 Uhr geworden und die Arbeiter essen alle miteinander aus einer grossen Schüssel zu Mittag. Wir werden auch eingeladen. Annette ist aber nicht sicher, ob sie als einzige Frau auch mitessen soll und wartet zuerst im Womo. Aber sie wird nochmals eingeladen und setzt sich auch an den kleinen Tisch, wo jeder mit einem Stückchen Brot in der Hand sich etwas aus der Schüssel fischt. Wir werden aufgefordert Fotos zu machen und alle posieren gerne für ein Bild. Es hängt sogar eine Schweizer Fahne in der Garage!
Nach dem Essen und dem Dessert aus Schweizer „Guetzli“, machen wir eine Probefahrt. Die Lampe kommt nicht mehr. Es stellt sich noch die Frage, ob wir das Abgasrückführungsventil noch reinigen lassen sollen. Das wären 6 Stunden Arbeit. Der Chef möchte noch eine Probefahrt machen und sein Kollege möchte gleich auch mit. Nach dieser Fahrt wird befunden, dass alles in Ordnung sei. Wir verabschieden uns und fahren wieder zurück in die Schlucht. Nach halbem Weg begleitet uns die gelbe Warnleuchte wieder! Die Schlucht ist schon imposant, halt touristisch ausgeschlachtet. Man kann hier vieles kaufen. Das Angebot geht von Modeschmuck über Kleidungsstücke bis Teppiche. Daneben gibt’s auch Kulinarisches. Uns gefiel die Schlucht von gestern einiges besser. Diesmal schlagen wir von Ait- Hani den Weg nach Agoudal ein und übernachten in der Nähe der Strasse.
Montag, 6.2.2023 – Der Tagtraum
Träumen darf man ja, auch am Tag. Erichs Traum ist von der Todrha Schlucht über den Tizi-n-Ouano (2910 müM) in die Dades Schlucht zu fahren. Zwei Schluchten und zwei Pässe durch einige Bergdörfer auf über 2200 müM, 40km Steinpiste, grandiose Kulisse im Hohen Atlas. Ein Traum jedes Overlanders.
Manchmal wacht man am Morgen auf, weil etwas im Traum schief ging. Hier war es wieder das Lämpchen. Unsere Garage, die Larag, hat sehr speditiv uns den zweiseitigen Beschrieb von Mercedes-Benz zum Fehlercode geschickt und uns empfohlen, die nächste MB Garage aufzusuchen. Aus der Traum, die nächste MG Garage ist in Marrakesch, dürfen wir nun von „1001 Nacht“ träumen?
Erichs Schulfranzösisch reicht noch grad, um einen Termin für Morgen in der 400km entfernten ehemaligen Hauptstadt zu vereinbaren, obwohl diese uns lieber ins noch weiter entfernte Agadir geschickt hätten. Marrakesch muss zwar über die Berge erreicht werden, lässt uns aber auch mehr Spielraum für die weitere Reiseplanung.
Vernünftigerweise und mit etwas Wehmut nehmen wir also an der Kreuzung in Agoudal die Richtung zur Ebene im Norden des Hohen Atlas. Wir fahren über die Route National No 12, durch Dörfer mit Strassenbreite 3m und über löchrige Strassen sowie autobahnähnliche Abschnitte mit 20m Breite ohne Löcher. Immer wieder gibt es Felderanordnungen, teils braun, teils grünlich. Es ist leicht zu erraten, dass es hier mit mehr Niederschlag einiges grüner und sicher auch fruchtbarer wäre. Noch sind wir auf über 2200 müM, die Menschen scheinen aber immer noch zufrieden zu sein, sitzen den ganzen Tag vor der Hütte oder im Café, Kinder spielen auf der Strasse und wir lassen auch mal dem Huhn den Vortritt.
Nach der Hälfte der Strecke erreichen wir die Tadla Ebene, ein fruchtbares Agrargebiet von der doppelten Grösse des Kantons Zürich.
Nun geht es schneller voran und wir suchen in den einschlägigen Apps nach einem geeigneten Platz zum übernachten, ohne allzuweit vom Ziel zu sein. Kaum angekommen, kommen zwei ältere Männer und schwatzen in altem Arabisch auf Erich ein, und er antwortet natürlich in astreinem Schweizerdeutsch. So versteht man sich über alle Grenzen hinweg. Jedenfalls gelang es den Herren, ihm das schwarze Loch auf dem Platz zu zeigen, das sicher 15m tief in die Erde führt und ohne irgendwelche Absturzsicherung ausgeführt ist, also für alle Personen lebensgefährlich erscheint. Erich gelang es, sie davon zu überzeugen, dass wir heute nicht mit ihnen kommen und auf die Einladung dankbar verzichten.
Dienstag, 7.2.23 – Der Platz der Geköpften
Wir fahren noch bei Dunkelheit ab, die Sonne geht erst um 8.18 Uhr auf. So kommen wir zeitig in der hochmodernen Mercedes Vertretung in Marrakesch an. Wieder wird das Diagnosegerät bemüht und zeigt denselben Fehler wie letztes Mal an. Der Luftfilter wird gereinigt, alle Verbindungen geprüft und nach Vorgabe von Mercedes verfahren. Nach der Probefahrt und einem Marrokanischen Tee wagen wir uns ins Stadtzentrum. Das Fahren erfordert Konzentration, da jeder beliebig die Spur wechselt und sich Motorräder und Mofas einfach zwischendurch schlängeln. Immer wieder ertönt Gehupe, doch man weiss nicht recht, wer eigentlich gemeint ist.
Wir finden einen überwachten Parkplatz (La Koutoubya) mitten im Zentrum, von wo man sich zu Fuss innert Minuten bei der Kutubiya Moschee und am Platz „Djamâa el-Fna“ befindet. Der „Platz der Geköpften“ ist das historische, kulturelle und quirrlige Zentrum, das muss man einfach besucht haben. Hier gibt es Marktstände, Schlangenbeschwörer, Tanzaffen, Geschichtenerzähler, Wahrsager und Wasserverkäufer. Hier pulsiert das Leben, doch wehe man möchte ein Foto von einer Attraktion machen, schon steht jemand da, der Geld dafür will. Die Verkäufer sind hier deutlich offensiver als in den bisher besuchten Städten und Dörfer. Wir finden den Weg in die Medina und gehen an den unzähligen Marktständen im Souk vorbei. Jemand sagt uns, dass heute die Berber ihr Leder in die Stadt bringen und wir sollen uns das doch anschauen. Schon ist jemand zur Hand, der uns den Weg zeigt und uns an einen Mann weiterreicht, der uns die verschiedenen Vorgänge bei der Lederverarbeitung zeigt. Danach werden wir in einen Laden geführt, wo sich Erich die Geldbeutel anschaut. Plötzlich hat er eine Lederjacke an und der Berber möchte über den Preis diskutieren. Eigentlich wollen wir gar keine Jacke, sondern nur die Brieftasche. Der Berber fängt bei 7000 dh (700€) für die Jacke an. Wir werden in ein kleines Zimmer geführt, wo wir dem Mann zu verstehen geben wollen, dass wir die Jacke nicht wollen und schon gar nicht zu diesem Preis. Obwohl es sehr weiches Leder ist und Erich für die Übergangszeit keine Jacke mehr hat. Annette kann noch so oft betonen, dass wir die Jacke nicht wollen. Der Preis fällt immer mehr und am Schluss geht der Berber auf 2400dh für Jacke und Portemonnaie. Annette ist kurz davor aufzustehen und den Laden zu verlassen, da sie sich in die Enge gedrängt fühlt. Erich willigt am Schluss dann doch ein und nimmt auch die Jacke, die wirklich schön ist aber es bleibt einfach ein ungutes Gefühl, da man nicht weiss, wie schwer man wieder über den Tisch gezogen wurde. Wir sind diese Art Handel einfach nicht gewohnt. Man merkt den Berbern schon an, wann die untere Grenze beim Handeln erreicht ist. Sie werden dann aggressiver. Auch wenn jemand sich für eine Dienstleistung aufdrängt, „c’est gratuit“ will er nachher sicher ein Batzen bekommen, und wehe, es ist ihm zu wenig, oh la la.
Auf dem Rückweg zum Womo irren wir durch den Souk, finden aber mit Hilfe des GPS auf dem Handy den Weg aus den vielen ähnlich aussehenden Gassen heraus.
Freunde von uns befinden sich seit gestern auch in Marrakesch. Wir haben mit ihnen zum Abendessen in einem Restaurant mit Terrasse über der „Djamâa el-Fna“ abgemacht, wo abends noch mehr los ist, als am Tag. Wir verbringen einen gemütlichen Abend mit Karin und Christoph bei gutem Essen und marrokanischem Tee.
Mittwoch, 8.2.23 - Marrakech
Am Morgen schauen wir uns die Saadier- Gräber aus dem 16. Jahrhundert an. Diese wurden erst 1917 von den Franzosen wiederentdeckt, da ein Sultan sie zerstören liess. Die reich verzierten Bauten mit Mosaiken und Marmorsäulen wurden restauriert und sind von einem gepflegten Garten umgeben. Die zahlreichen Gräber stammen von Nachkommen der Saadier-Herrscher.
Als nächstem gilt unser Interesse der „Medersa Ben Youssef“, der ehemals grössten und bedeutendsten Koranschule des Maghreb. In einem der ältesten Gebäuden der Stadt lebten die Koranstudenten unter einfachen und engen Verhältnissen aufeinander. Dafür ist das Gebäude umso prunkvoller restauriert. Im Innenhof befindet sich ein kleiner Teich und die Wände sind nach maurischer Architektur wiederum reich verziert.
So viel Kultur macht hungrig und wir essen im gleichen Restaurant wie gestern auf der obersten Terrasse bei herrlichem Sonnenschein und Aussicht auf den „Djamâa el-Fna“ zu Mittag.
Auf der Fahrt aus der Stadt heraus besichtigen wir den „Ménera“ Garten, der ausser einem 150x200 Meter grossem, braunem Wasserbecken mit ein paar Fischen, unzähligen Olivenbäumen und ein paar Palmen für unseren Geschmack, nicht viel zu bieten hat. Aber es ist ein Park fernab der Hektik in der Innenstadt.
Da es schon spät ist, fragen wir beim Paradiesgarten „Anima“ von André Heller, ob wir auf dem Parkplatz übernachten dürfen. Das wird uns leider verwehrt. Auch der Safrangarten „Paradis du Safran“ fällt weg, da auf der Webpage steht, dass es für Busse und grosse Wohnmobile nicht möglich sei dorthin zu gelangen. Der Weg zum „Jardin Bio-Aromatique Nectarome“ sieht auch nicht vielversprechend aus. So fahren wir einfach auf einen Hügel herauf und sind froh, nach diesem erlebnisreichen und anstrengenden Tag, mit über 15‘000 Schritten, einen ruhigen Ort gefunden zu haben. Den Frauen, die hier oben nach Feuerholz suchen und uns bestaunen, schenken wir einen warmen Pulli, sie sehen so aus, als ob sie diesen gut gebrauchen könnten. „Shukran“, Shukran“, Shukran“ (danke) hören wir von der alten Frau, soviel haben wir von der Sprache und der Kultur bisher gelernt.
Donnerstag, 9.2.23 – Im Künstlergarten
Wir fahren zurück zum Garten „Anima – Le Retour du Paradis“, der wirklich sehenswert sein soll. Und wirklich der Besuch lohnt sich. Auf den verschlungenen Weglein durch die vielseitige Fauna entdecken wir immer wieder farbenfrohe Kunstwerke. Es dauert eine Weile, bis wir fast alle kleinen Wege durchstreift haben.
Nach einem stärkenden Mittagessen fahren wir einen Platz unter Bäumen an, wo wir die Eindrücke der letzten Tage verdauen, chillen, Fotos bearbeiten, Kuchen backen und den Tag geniessen.
Am Abend schauen wir den Film „Blackout“, ganz Europa bleibt lange Tage ohne Strom, das Chaos bricht aus. Ziemlich realistisch. Sind wir froh, mit dem Wohnmobil recht lange autark zu sein.
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