Baloo
Kurz & bündig
Donnerstag, 6. Juni 2024 – Ankara und Atatürk
Wir fahren auf einer unbefestigten Strasse von unserem Übernachtungsplatz fort, bis diese plötzlich wie abgebrochen ist und einen halben Meter weiter unten weiter geht. Das schafft Baloo definitiv nicht und wir müssen umkehren.
Bald kommen wir auf eine grössere Strasse, die uns nach Ankara bringt. Bereits 50km vor der Stadt werden die Häuser grösser und es gibt mehr Industrie.
Ankara, die Hauptstadt der Türkei, steht mit ihren 5.9mio Einwohnern etwas im Schatten von Istanbul. Man sagt scherzhaft, dass das schönste an Ankara die Autobahn nach Istanbul sei. Mitten in Ankara verliert unser Navi die Satellitenverbindung. Mit Hilfe des Handys findet Erich den Weg durch das Gewusel der Stadt trotzdem.
Wir schauen uns das gigantische Mausoleum von Atatürk an. Hier herrscht erhöhte Sicherheitsstufe und die Besucher werden alle kontrolliert. Über eine 250m lange Prunkstrasse, die von Steinlöwen gesäumt wird, gelangen wir auf einen grossen Platz, an dessen Ende ein riesiges Mausoleum steht mit goldener Decke und einem 40 Tonnen schweren Marmorsarkophag.
Auf dem grossen Platz davor tummeln sich zahlreiche Schüler und Studenten in ihren Schuluniformen. Die älteren Studenten sind alle sehr chic angezogen und schwenken ihre Diplome. Heute ist wohl ein besonderer Tag für sie.
In Nebenräumen können wir Atatürks Autos und ein Schiff, mit dem er einmal gefahren ist, bestaunen.
Atatürk (= Vater der Türkei) ist in der Türkei allgegenwärtig. Mustafa Kemal ( geboren 1881) war Hauptmann im Generalstab und schloss sich den Jungtürken an, einer nationalistischen, antifeudalistischen Gruppierung, die Sultan Abdül Hamit ll. 1908 zur Abdankung zwang. Im ersten Weltkrieg zeichnete er sich als entschlossener Befehlshaber in den Dardanellen aus. 1923 wurde er zum ersten türkischen Präsidenten gewählt. Er europäisierte den Staat und war strikte für eine Trennung zwischen Staat und Religion. Er soll einmal gesagt haben: „Der Politiker, der zum Regieren die Hilfe der Religion braucht, ist nichts anderes als ein Schwachkopf.“
Zudem stärkte er die Stellung der Frau und führte 1924 das Schweizer Zivilrecht, das italienische Strafrecht und das deutsche Handelsrecht anstelle des islamischen Rechts, ein.
Er war ein begnadeter Politiker, reformierte das Bildungswesen, die Schrift und führte den Sonntag anstelle des Freitags als Ruhetag ein.
Leider hatte er im Privatleben nicht solches Glück und man sagt, er habe Halt beim Raki gefunden. Er starb 1938 an Leberzirrhose. Soviel zu Atatürk.
Wir fahren auf einen Parkplatz beim Genclik Park und stechen von dort in die Altstadt. Wir durchstöbern einen gedeckten Kleidermarkt und kommen in einem Innenhof heraus, wo es ein Restaurant im freien hat. Höchste Zeit etwas zu essen!
Beim Lebensmittel- und Fischmarkt kaufen wir Gewürze, Datteln, Aprikosen und Käse ein.
Es dauert lange, bis wir mit dem Auto wieder aus der Stadt heraus sind. Wir fahren auf 1300müM und finden einen Platz gleich eben der Strasse.
Dank des Regens am Abend kühlt es etwas ab.
Freitag, 7. Juni 2024 – Allzweckwaffe Hupe
Da wir noch einiges erledigen müssen, bleiben wir bis zum Mittag hier. Die Jandarma fährt vorbei und grüsst uns mittels Hupe. Die Türken hupen viel und es kann je nach Situation etwas ganz anderes heissen. Sie hupen beim Überholen, wenn sie den Vortritt beanspruchen, um zu grüssen, um sich zu verabschieden oder einfach um zu sagen, ihr habt ein cooles Auto, dann oft im Zusammenhang mit einem Daumen nach oben. Wir brauchten eine Weile, um das richtig einschätzen zu können.
Am späteren Nachmittag fahren wir weiter an den Sariyar Baraj Gölü, einem weiteren Stausee. Die Landschaft hier ist sehr surreal. Öde, vielfarbig geschichtete Felsen umgeben den See. Leider hat es unzählige Mücken, die trotz Mückennetz unser Womo bevölkern. Draussen sitzen können wir vergessen.
Samstag, 8. Juni 2024 - Sackgasse
Es war eine Tropennacht. Am Morgen bekommt Erich einen neuen Haarschnitt, da unsere Tochter uns gestern darum gebeten hat, „anständig“ zurückzukehren.
Leider macht uns der See überhaupt nicht zum Baden an. Das Wasser ist grünlich trüb und das Ufer zugemüllt. Leider ist dies in der Türkei oft so. Den Türken ist das egal, es fehlt, wie in so vielen anderen Ländern, das Bewusstsein dafür.
Wir bleiben bis zum Mittag hier und können sogar draussen sitzen, die Mücken haben sich verzogen.
Anschliessend fahren über eine unbefestigte Strasse, die uns auf eine Schnellstrasse bringen sollte. Sollte! Die letzten 20 Meter nicht unbefahrbar. Wir sehen die Schnellstrasse, müssen aber trotzdem umkehren und auf einem anderen Weg zur Strasse gelangen. Ein kleiner Umweg von 40 Min. – schön wars trotzdem.
Wir fahren insgesamt drei Stunden, durch unterschiedliche Landschaften. Mal von Getreidefeldern, dann von Gewächshäusern geprägt und immer wieder rauf und runter. Zuerst karg, dann üppig bewachsen.
Und wir finden einen kühlen Übernachtungsplatz auf knapp 1100müM auf einer Wiese.
Sonntag, 9. Juni 2024 – Cumalikizik, Weltkulturerbe
Wir haben herrlich geschlafen, es hat ziemlich abgekühlt und am Morgen ist es neblig. Der Nebel verzieht sich schnell und macht der Sonne Platz. Wir bleiben bis zum Nachmittag hier und fahren dann nach Cumalikizik, ein Dorf mit alten osmanischen Stein- und Holzhäusern, das zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Obwohl die Strassen von Souvenierbuden gesäumt sind, hat es einen ganz besonderen Reiz. Über holpriges Kopfsteinpflaster erkunden wir das Dorf. Es gibt ein paar ganz herzige und lauschige Restaurants in den Hinterhöfen der Häuser. Auch wir werden fündig und setzen uns neben dem Hühnerstall an einen Tisch.
Die zwei Frauen, die uns bedienen und kochen sind sehr nett und humorvoll. Wir bestellen Muhlama (Käsepolenta mit Butter) und Menemen (Tomaten, Eier und Peperoni). Die Eier dazu werden noch schnell aus dem Hühnerstall geholt. Alles ist sehr einfach, um uns herum picken die Hühner und suchen nach etwas Essbarem.
An einem anderen Tisch sitzen vier junge Leute aus Istanbul mit denen wir ins Gespräch kommen. Sie bieten uns auch von ihren Gözleme an und finden, dass wir in Istanbul mindestens zwei Wochen verbringen sollen. Unser Essen mit mundet sehr, kostet mit zwei Getränke umgerechnet etwa 9 Franken.
Auf dem Rückweg zum Baloo kommen wir durch eine Gasse, auf der auch ein Bächlein fliesst.
Bei über 30° Grad ist wieder einmal ein Glacé fällig.
Wir übernachten auf einem grossen Parkplatz vor dem Dorfeingang. Um 21 Uhr ist es noch 28° Grad warm.
Montag, 10. Juni 2024 – Auf den Uludagi
Wir fahren schon früh nach Bursa und kommen dort in den Morgenverkehr. Wir schaffen es in dieser 3 Mio-Einwohnerstadt einen bezahlten und bewachten Parkplatz zu finden.
Wir besichtigen das alte Zentrum der ersten osmanischen Hauptstadt, die gespickt mit Moscheen und Sultansgräber ist. Ein grosser Teil der Altstadt sind orientalische Basare, die eine ganz eigene Atmosphäre ausstrahlen mit ihren Gerüchen und der Betriebsamkeit.
Wir schauen uns die Orhan Moschee an. Erich auch von innen, er hat bei dieser Hitze extra lange Hosen angezogen. Annette ist sich nicht sicher, ob sie denselben Eingang nehmen darf, da ein Schild mit der Beschriftung „Bayan“ (Frau) in eine andere Richtung zeigt.
Als nächstes kommt die Grosse Moschee (Ulu Cami) mit ihren zwanzig Kuppeln an die Reihe. An den Besuchern, die die Mosche verlassen, sehen wir, dass hier nicht gross auf die Bekleidung wert gelegt wird. Einzig die Schuhe müssen ausgezogen werden. Dieser Bau ist von seiner Grösse her schon beeindruckend und im Innern findet sich in der Mitte ein marmorner Brunnen für die rituellen Waschungen. Sie ist reich verziert und hat viele Kalligrafien an den Wänden.
In einem Innenhof essen wir ein Kahvalti und schlendern dann über den Basar zum Auto zurück.
Da es in den nächsten Tagen bis zu 40° Grad heiss wird, beschliessen wir auf den 2500müM hohen Hausberg von Bursa, den Uludag zu fahren. Wir können bis 1750 Meter hoch in den Nationalpark, wo wir eine Art Campingplatz finden mit Dauercampern und einer Wiese, auf der wir Platz haben. Es gibt nirgends eine Anmeldung und so stellen wir uns einfach hin. Zweimal fährt die Jandarma vorbei und grüsst uns. Dann kommen drei Leute, die nach „Offiziellen“ aussehen und sagen uns, dass wir hier nicht bleiben könnten. Wir müssten auf einen Platz unterhalb der Moschee im Dorf. Erich fragt nach den Kosten und sie sagen uns, dass man diese per Banküberweisung überweisen müsse. Als alles Administrative erledigt ist und wir zusammen räumen wollen, finden sie plötzlich, dass wir doch hierbleiben dürfen. Wir sind froh, müssen wir nicht gehen. Wir verbringen den nachmittag draussen. Hier oben ist es 10 Grad kühler als in der Stadt unten. Nach dem Abendessen kommt eine junge Frau und bringt uns Aprikosen. Sie lädt uns auf einen Cay zu sich und ihren Eltern ein. Aus dem Cay wird ein zweites Abendessen und ein langer, gemütlicher Abend mit Google Übersetzer, Lagerfeuer und literweise Cay.
Dienstag, 11. Juni 2024 – Chillen im Nationalpark Uludagi
Wir benutzen den Tag zum Arbeiten und Chillen. Die Temperatur ist mit 26 Grad angenehm. Am Nachmittag gehen wir wir zu Sibel und Aicha und spielen Rummy. Wir staunen, als sie das Spiel ganz anders spielen, als wir es uns gewohnt sind. Wir sind lernfähig und haben den Dreh schnell raus. Aber sie beherrschen auch die „amerikanische Variante“, die sich mit unserer Spielweise deckt. Dazu wird Cay getrunken und gesalzene Sonnenblumenkerne geknabbert.
Es schauen immer wieder andere Leute vorbei. Ahmed, Aicha, Sibel und ihre Schwester verbringen seit 30 Jahren die heissesten drei Monate des Jahres in ihren Zelten hier oben im Nationalpark.
Annette backt einen Zopf zum Znacht und bringt ein Stück vorbei.
Am Abend, als Ahmed von der Arbeit wieder hier ist, sitzen wir nochmals mit Cay ums Lagerfeuer. Natürlich wollen sie unseren Baloo auch noch von innen anschauen. Nach der Besichtigung schauen wir uns die Hütte an, die einer Freundin von Sibel gehört, die auch den Nachmittag mit uns verbracht hat.
Sibel ist eine Modedesignerin und hat ihre eigene Modemarke, von der sie uns ein paar Skizzen und Fotos zeigt.
Ahmed selber arbeitet irgendetwas mit Textilien, seine Leidenschaft ist aber Wrestling. Er musste gut sein, denn er nahm erfolgreich an verschiedenen internationalen Wettkämpfen teil. Erich zeigt ihm dann das urchige Schweizer Wrestling – Schwingen im Sägemehl.
Wir verabschieden uns von Ahmed, da wir ihn morgen nicht mehr sehen werden. Er lädt uns ein, nächstes Jahr wieder zu kommen.
Es war eine ganz nette Begegnung und wir würden gerne wiederkommen. Morgen geht’s aber zuerst nach Istanbul, das kulturelle und wirschaftliche Zentrum des Landes!
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